Katze an der Leine – geht das?
Tiertherapeutin Petra Bauer gibt Tipps, was beim Spazierengehen an der Leine mit Katzen zu beachten ist
Während Hundehalter selbstverständlich jeden Tag mehrmals mit ihren angeleinten Hunden spazieren gehen, ist dies bei Katzenhaltern die absolute Ausnahme. Warum es dennoch eine gute Idee sein kann, Ihre Katze an Geschirr und Leine zu gewöhnen, und was beim Spazierengehen mit Katze zu beachten ist, erklärt die Tierpsychologin Petra Bauer im Interview. Eins macht sie dabei ganz deutlich: Bei Katzen gelten völlig andere Regeln als bei Hunden.
Petra Bauer – Tierpsychologin und Expertin für Katzenverhalten
Petra Bauer ist ausgebildete Tierpsychologin und hat sich auf die Vermittlung von Botschaften zwischen Mensch und Katze spezialisiert. Zu ihrem Angebot gehören Seminare und Vorträge ebenso wie individuelle Beratung. Bei Problemen mit ihren Katzen oder Fragen zur Ernährungsberatung können sich Halter an die Kasselerin wenden.
Frau Bauer, Katzen an der Leine – ist das eine gute Idee?
Eine pauschale Antwort kann man auf diese Frage nicht geben, es kommt wirklich immer auf den Einzelfall an. Katzen sind sehr individuell, manche bieten das Leinegehen von sich aus an, andere machen es einfach nicht mit. Eine Katze können Sie nicht dazu zwingen, an der Leine zu laufen, es klappt nur, wenn sie es selbst auch will. Die grundsätzliche Voraussetzung ist, dass die Katze unbedingtes Vertrauen zu ihrem Menschen hat. Es ist völlig anders als bei Hunden:
Sie führen die Katze nicht an der Leine, die Katze führt eigentlich. Deshalb ist die Leine nur zur Sicherheit da.
Es kann auch sinnvoll sein, immer einen Korb mitzunehmen, in den die Katze springen kann, wenn sie Angst bekommt. Das kann ein Katzentransportkorb sein oder ein normaler Einkaufskorb. Im eigenen Garten können Sie in aller Ruhe mit Ihrer Katze spazieren gehen, im Gelände sollten Sie eine ruhige Strecke – möglichst ohne Hundekontakt – auswählen.
Daran sollten Sie denken, bevor Sie mit Ihrer Wohnungskatze nach draußen gehen
Katzen, die regelmäßig mit Ihnen nach draußen gehen, sollten Sie wie Freigänger behandeln:
- Genau wie Freigänger sollten sie vollständig geimpft sein.
- Am besten ist die Katze auch gechipt.
- Eine regelmäßige Wurmkur ist ebenso wichtig.
- Untersuchen Sie Ihre Katze nach dem Spaziergang auf Zecken.
- Ein einfaches Halsband ist zum Leinegehen nicht zu empfehlen. Verwenden Sie unbedingt ein Geschirr mit Halsband und Bauchgurt.
Bestimmt die Rasse, ob Katzen an der Leine gehen können?
Ich mache es nicht an der Rasse fest, es hängt eher von der individuellen Katze ab, ob es klappt, mit ihr an der Leine spazieren zu gehen.
Jede Katze hat eine eigene Persönlichkeit und ist höchst individuell.
Mit orientalischen Katzenrassen wie Bengalen oder Siamkatzen klappt es aber oft sehr gut, ebenso mit Russisch Blau , denn diese Katzenrassen sind besonders stark auf ihre Menschen bezogen. Dann ist es durchaus möglich, zum Beispiel mit einer Katze im Park spazieren zu gehen. Ich hatte Kunden, die gehen mit ihren Bengalen sogar im Wald spazieren.
Wann kann es sinnvoll sein, die Katze an die Leine zu gewöhnen?
Das Spazierengehen mit Ihrer angeleinten Katze zu üben kann aus verschiedenen Gründen sinnvoll sein:
Eine Leine ist sinnvoll, wenn die Katze nach einem Umzug nicht mehr alleine nach draußen kann.
Ein Umzug in eine belebte Gegend kann für Katzen schwierig sein. Eine meiner Kundinnen hatte eine Freigängerkatze. Sie zog jedoch kurzfristig in eine kleine Innenstadtwohnung ohne Balkon. Die Katze miaute ständig, doch als die Halterin sie schließlich auf die Straße ließ, erlitt sie einen Unfall. Damals begann die Katzenhalterin, sie an Geschirr und Leine zu gewöhnen, und geht nun dreimal am Tag pünktlich mit ihrer Katze raus.
Doch auch wenn das neue Gelände für die Katze ungefährlich ist:
Es kann die Eingewöhnung nach einem Umzug erleichtern, wenn Sie gemeinsam mit Ihrer Katze kleine Runden mit der Leine drehen, bevor sie allein ins neue Gelände geht.
Einer angeleinten Wohnungskatze bieten Sie Abenteuer für die Sinne
Ein Spaziergang ist für Katzen immer ein kleines Abenteuer, denn sie haben sehr gut ausgeprägte Sinne. Ob es der Duft von Gräsern und Blumen ist, der Gang über Gras und Kies oder die Geräusche von Insekten und Vögeln – das alles erlebt eine Katze sehr bewusst. Ein regelmäßiger Spaziergang an der Leine bietet eine Abwechslung, denn er spricht alle Sinne Ihrer Katze an.
Katzenzusammenführungen klappen mit einer Leine oft entspannter
Ich setze die Leine in bestimmten Fällen auch bei der Zusammenführung von zwei Katzen ein. Natürlich macht man sich vorher Gedanken, welche Tiere zusammenpassen würden. Aber dann kommt beispielsweise ein aufgeschlossenes, soziales Tier zu meiner Katze, die vielleicht schon länger alleine lebt und sehr zurückhaltend ist. Die neue Katze freut sich und läuft auf meine Katze zu – in bester Absicht –, doch meine Katze erschreckt sich und faucht. Meist ist dann ein längeres Training erforderlich, bis meine Katze weiß: Ihr passiert nichts. Die Zusammenführung kann ich daher gut durchführen, wenn ich die neue Katze vorher an Geschirr und Leine gewöhne. Sie kann sich frei bewegen, und ich nutze die Leine nur für den Fall, dass sie losstürzen möchte. Bei der Zusammenführung bestärke ich wie in jedem Training immer positiv mit Snacks und Lob. So funktionieren manche Katzen-Zusammenführungen gleich viel problemloser.
Autofahrten und Tierarztbesuche sind mit Geschirr und Leine sicherer
Auch bei Autofahrten im Transportkorb oder beim Tierarztbesuch mit einer ängstlichen Katze kann es helfen, wenn die Katze ein Geschirr trägt und ich sie im Zweifel schnell greifen kann. Katzen, die in Panik geraten, erkennen in diesem Augenblick auch ihre Menschen nicht mehr. Heben Sie die Katze hoch, während sie Panik hat, kann es schnell zu Verletzungen kommen. Mit Geschirr und Leine kann ich sie schnell sichern.
Wie gelingt es, die Katze an die Leine zu gewöhnen?
Ganz wichtig ist es, nicht die eigenen Wünsche in den Vordergrund zu stellen, sondern immer auf die Katze zu achten. Wir Menschen wollen Dinge immer möglichst schnell umsetzen.
Den eigenen Zeitplan sollte ich bei einer Katze besser vergessen und stattdessen auf das Tempo der Katze gucken: Was ist ihr möglich? Wie lange macht es ihr Freude?
Schauen Sie immer, was geht. Der eigene Zeitplan spielt da überhaupt keine Rolle. Katzen nehmen unsere Stimmungen sehr genau wahr und wenn sie spüren, dass wir ungeduldig werden, denken sie, etwas stimmt nicht. Sie empfinden die Situation als unangenehm – und bei unangenehmen Dingen wollen sie natürlich nicht mitmachen.
Um die Katze an Geschirr und Leine zu gewöhnen, lassen Sie sie zunächst daran schnuppern. Legen Sie der Katze das Geschirr vorsichtig an und belohnen Sie sie mit einem kleinen Snack. Erst wenn die Katze sich an das Geschirr gewöhnt hat, nehmen Sie die Leine hinzu.
Nehmen Sie das Geschirr zu Hause immer ab
Ganz wichtig: Nehmen Sie das Geschirr zu Hause immer wieder ab und lassen Sie es auf keinen Fall angelegt, wenn Sie die Katze alleine im Haus lassen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Katze sich darin verfängt und verletzt.
Überfordern Sie Ihre Katze nicht. Beginnen Sie mit kurzen Strecken, die höchstens fünf Minuten dauern. Auch später reicht es, wenn Sie für die Spaziergänge maximal 15 bis 20 Minuten einplanen. Regelmäßigkeit ist dagegen ganz wichtig.
Der Spaziergang sollte ein festes Ritual am Tag sein.
Wichtig ist, dass Sie vorher überlegen, ob Sie jeden Tag mit Ihrer Katze nach draußen gehen möchten. Es kann nämlich durchaus passieren, dass die Katze, die vorher mit der Wohnungshaltung zufrieden war, jetzt Geschmack am Freigang bekommen hat und das Abenteuer lautstark und ständig einfordert. Wir machen dreimal die Woche Sport – solche Zeitintervalle versteht die Katze nicht. Daher sollten Sie das Spazierengehen verlässlich in den Tagesablauf einbauen. Dann weiß die Katze: „Ich brauche gar nicht zu quengeln. Wenn mein Mensch nach Hause kommt, dann gehen wir erst mal raus.“
Kann auch eine ältere Katze noch lernen, an der Leine zu gehen?
Sogar sehr gut – vorausgesetzt, sie ist nicht ängstlich und hat Vertrauen zu ihrem Menschen. Mit einer älteren Katze kann man das Leinegehen auf jeden Fall probieren: Sie kennt Sie schon gut und ist mit Ihnen vertraut. Außerdem ist sie wahrscheinlich froh, anschließend wieder in der Wohnung zu sein. Gerade für ältere Katzen kann es ein schönes Event sein, mit Ihnen gemeinsam rauszugehen.