Ängstliche Katzen: Woran es liegen kann und was Sie tun können
Die wichtigsten Tipps zum Zähmen Ihrer ängstlichen Katze
Ängstliche Katzen verbringen ihren Alltag häufig gestresst. Manche Katzen sind eher scheu, andere verstecken sich oder laufen geduckt – manche Katzen werden sogar aggressiv. Beobachten Sie Ihre Katze genau. Ist sie scheu und ängstlich? Dann versuchen Sie möglichst früh herauszufinden, welcher Auslöser dieses Verhalten hervorruft. Im Artikel erfahren Sie mehr über ängstliche Katzen, mögliche Gründe für ihr Verhalten und erhalten Infos darüber, wie Sie Ihrer Katze am besten helfen können.
Unsere Interviewpartnerin
Anika Abel ist Betreiberin des Online-Magazins Haustiger.info. Sie ist Studentin der Tiermedizin, ausgebildete Katzenverhaltensberaterin und bildet sich im Bereich Katzenverhalten regelmäßig fort. Zusätzlich hat sie 2023 das „Veterinary Professional Certification Program“ von FearFree Pet erfolgreich durchlaufen. Frau Abel lebt selbst mit mehreren Katzen zusammen und kümmert sich als Pflegestelle regelmäßig um „Notfellchen“.
Frau Abel, welche Gründe kann es dafür geben, dass meine Katze ängstlich ist?
Katzen sind in freier Natur nicht nur Jäger, sondern auch Gejagte. Sie bringen deshalb als relativ kleine Tiere schon genetisch eine gewisse Anfälligkeit für Angststörungen mit sich. Das heißt aber nicht, dass Angst bei Katzen normal ist und sie damit leben müssen.
Konkrete Gründe für Angst sind beispielsweise
- schlechte Erfahrungen mit Menschen oder bestimmten Personengruppen (z. B. Kindern) und
- eine mangelnde Sozialisierung in der Zeit zwischen der 2. und 7. Lebenswoche.
Die Ursachen für Angst bei der Katze sind vielschichtig, und manchmal können es schon geringfügige Veränderungen wie das Umstellen der Möbel oder ein neuer Zeitplan bei der Futtergabe sein. Katzen mögen Routinen und eine gewisse Struktur. Einige Faktoren lösen bei manchen Katzen Angst aus:
- Geräusche
- Objekte
- Menschen
- andere Katzen oder Tiere
- spezifische Situationen (z. B. Tierarztbesuch, Transport im Auto, Fellpflege) oder
- (eher selten) auch Gerüche.
Welche Verhaltensweisen deuten auf Angst hin?
Bei ängstlichen Katzen können Sie in der Regel die 4 F’s beobachten: Fight, Flight, Freeze und Flirt (engl. für: Angriff, Flucht, Erstarren oder Beschwichtigung). Wobei die Verhaltensweisen in der Regel nicht gleichzeitig auftreten. Sie erkennen Angst oft an der Körperhaltung. Hinweise sind z. B. ein geduckter Gang oder vorsichtige Bewegungen, an der Ohrstellung und Mimik (Ohren sind nach hinten gedreht, die Augen weit aufgerissen und der Kopf eher geduckt etc.). Die Tiere verstecken sich teilweise und trauen sich zur Futteraufnahme zum Beispiel nur nachts heraus. Direkt in der beängstigenden Situation (beispielsweise beim Tierarzt) deuten unter anderem körperliche Symptome wie
- Hecheln,
- erweiterte Pupillen,
- ein beschleunigter Herzschlag,
- Speicheln,
- Fauchen oder auch das
- Absetzen von Kot oder Urin („unter sich machen“) auf Angst hin.
Warum ist meine Katze plötzlich ängstlich?
Zeigt Ihre Katze von heute auf morgen ängstliches Verhalten, geht dem meist ein bestimmtes (traumatisches) Ereignis voraus. Hat sich Ihre Katze zum Beispiel vor etwas erschreckt oder ist ein neuer Artgenosse in die Umgebung gezogen, kann das Ihren Haustiger ängstigen. Allerdings können plötzliche Verhaltensänderungen auch gesundheitliche Ursachen haben. Sprechen Sie deshalb zur Sicherheit zeitnah mit Ihrem Tierarzt.
Wie beruhige ich eine ängstliche Katze?
Versuchen Sie in erster Linie an der langfristigen Bewältigung der Angst zu arbeiten. Dabei sollten Sie behutsam und ohne Überforderung vorgehen. Im Idealfall suchen Sie sich frühzeitig professionelle Unterstützung. Gängige Vorgehen sind Desensibilisierung und Gegenkonditionierung. Das heißt, vereinfacht gesagt, dass die Tiere langsam an den angstauslösenden Reiz (z. B. das Geräusch des Staubsaugers) gewöhnt werden und dieser Reiz mit der Zeit positiv verknüpft wird.
Unterstützend kann in Absprache mit dem Tierarzt z. B. mit Pheromon-Produkten (die chemischen Botenstoffe helfen der Katze sich zu beruhigen und reduzieren Stress), speziellen Nahrungsergänzungsmitteln oder gezielten Berührungen nach der Tellington-TTouch-MethodeⓇ gearbeitet werden. Auch spezielle Entspannungsmusik für Katzen oder sanfte Klaviermusik können zur Beruhigung beitragen.
Daneben ist es immer eine gute Idee, sich im Bereich Katzenverhalten und Katzensprache fortzubilden. Da gibt es mittlerweile auch viele gute Angebote für Tierhalter. Je besser Sie Ihre Katzen „lesen“ können, umso besser können Sie ihnen gezielt helfen, Schmerzen und Unwohlsein erkennen und können entsprechend reagieren.
Was kann ich tun, um meiner Katze bei Angst zu helfen?
Nehmen Sie die Angst Ihrer Katze wahr und versuchen Sie den Auslöser zu finden. Wichtig ist es, die Problematik gründlich aufzuarbeiten und wirklich gezielt vorzugehen, um die Situation nicht unabsichtlich zu verschlimmern. Suchen Sie sich am besten professionelle Hilfe durch einen Tierarzt mit Spezialisierung auf Verhaltensmedizin. Der jeweilige Ansatz kommt auf das individuelle Tier und den jeweiligen Reiz an. Pauschale Empfehlungen helfen hier nur wenig.
Die Tellington-TTouchⓇ-Methode ist ein ganzheitlicher Ansatz zur Entspannung von Tieren
Die Tellington-TTouchⓇ-Methode ähnelt einer Massage, bei der die TTouches auf die Zell- und Nervenbene des Tieres abzielen. Die Touches können – richtig angewendet – beruhigen, Beschwerden und Schmerzen lindern und Stress verringern.
Wie zähme ich scheue Katzen?
Bringt man Liebe, Verständnis und Geduld auf, freunden sich – nicht immer, aber häufig – auch zunächst scheue Katzen mit uns Menschen an. Die Tiere sollten sich Schritt für Schritt an Sie gewöhnen – ohne Zwang und Überforderung. Meist ist es gut, wenn die Katze zunächst nur ein Zimmer zur Verfügung hat, in dem sie sich ungestört aufhalten kann.
- Gewöhnen Sie Ihre Katze zunächst an Ihre Stimme: Setzen Sie sich zu Ihrer Katze ins Zimmer und beachten Sie sie erst einmal gar nicht. Erzählen Sie Ihrer Katze einfach etwas oder lesen Sie ihr vor.
- Traut sich die Katze aus ihrem Versteck, können Sie sich langsam annähern: Oft trauen sich die Katzen zum Fressen über kurz oder lang aus ihrem Versteck und Sie können hier den Abstand zu ihr von Tag zu Tag verringern. Ihre Katze sollte schließlich entspannt fressen können, ohne dass sie sich durch Ihre Gegenwart gestört fühlt.
Manche Katzen lassen sich auch durchs Spielen aus der Reserve locken. Wann Berührungen möglich sind, ist vom Charakter der Katze abhängig. Manche Katzen kommen von selbst auf die Menschen zu – andere können Sie nach und nach vorsichtig von sich aus berühren. Gerade bei angst-aggressiven Katzen sollten Sie nicht gleich Ihre Hand ausstrecken, sondern die Katze zunächst mit einem langen Pinsel oder Federwedel berühren.
Was kann ich tun, um langfristig ein stressfreies Umfeld für meine Katze zu schaffen?
Sie können einiges tun, um das eigene Zuhause so katzengerecht wie möglich zu gestalten: Wichtig dabei ist, dass alle wesentlichen Ressourcen – sprich Zugang zu Futter, Wasser, Kratzgelegenheiten, Schlafplätzen, Katzentoiletten – vorhanden sind. So sollte auf jeden Fall jedes Tier seinen eigenen Futternapf besitzen und Katzentoiletten sollten immer mindestens eine mehr zur Verfügung stehen, als Katzen im Haus leben. Alle Tiere im Haushalt sollten die Möglichkeit zur geistigen und körperlichen Auslastung haben und die Möglichkeit zur regelmäßigen und ungestörten Interaktion mit ihrer Bezugsperson – also mit Ihnen.
Beseitigen Sie Stressfaktoren und Angstauslöser.
Woran merke ich, dass meine Katze traumatisiert ist?
Das ist oft gar nicht so einfach. Ein Hinweis können starke, plötzliche Reaktionen auf spezifische Auslöser sein. Reaktionen wie
- plötzliche Aggression,
- panische Flucht,
- Zittern oder
- völliger Rückzug
können auf ein Trauma hindeuten. Auch übermäßige Schreckhaftigkeit oder ein vorher nicht dagewesenes „Klammern“ an Sie als Bezugsperson können Hinweise geben.
Sollte ich traumatisierte Katzen anders behandeln als nur ängstliche Katzen?
Eine traumatisierte Katze sollte auf jeden Fall fachmännisch unterstützt werden. Je nach Fall können hier Medikamente zum Einsatz kommen. Ob und welche Medikamente entscheidet am besten ein Tierarzt, der auf Verhaltensmedizin spezialisiert ist. Manchmal ist die Beratung auch online möglich, sodass Ihre Katze nicht noch zusätzlich durch einen Tierarztbesuch gestresst wird.
Wie unterscheide ich Angst von normalem scheuem Verhalten?
Angst und scheues Verhalten lassen sich nicht genau trennen. Scheues Verhalten ist im Endeffekt auch Angst (zum Beispiel vor Menschen). Was Sie unterscheiden können, sind Traumata, Phobien und Angstzustände. Ganz vereinfacht dargestellt: Eine Phobie hat, anders als ein Trauma, einen spezifischen identifizierbaren Auslöser, der aber an sich nicht gefährlich ist. Der Angstzustand ist ein andauernder emotionaler Zustand, der durch eindeutig identifizierbare Stimuli ausgelöst wird. Angst stellt für Katzen immer eine Belastung dar.
Wie vermeide ich es, das Verhalten meiner Katze unabsichtlich zu verschlimmern?
Ihre Katze darf keinesfalls für ihr ängstliches Verhalten bestraft oder auf andere Weise (z. B. verbal) gemaßregelt werden. Sie sollte einem beängstigenden Reiz nie ohne Chance zur Flucht ausgesetzt sein. Darüber hinaus haben Katzen sehr feine Antennen für die Stimmungen ihrer Bezugspersonen. Sind Sie selbst entspannt, macht es die Situation für Ihre Katze auch leichter.
Wie kann ich die Selbstsicherheit meiner Katze steigern?
Durch Resilienztraining: Je besser eine Katze darauf trainiert ist, flexibel mit verschiedenen Reizen umzugehen, umso besser kommt sie mit stressigen Situationen klar. Eine stabile emotionale Bindung zur Bezugsperson und ein katzengerechtes Zuhause – in dem die Katze geistig und körperlich stimuliert wird und in dem es sichere Rückzugsorte gibt – sind jedoch genauso wichtig.
Clickertraining kann z. B. helfen, Katzen mit positiver Verstärkung schrittweise an neue oder beängstigende Situationen zu gewöhnen und kann dazu das Selbstvertrauen steigern.
8 häufige Fragen in Bezug auf ängstliche Katzen
Der Umgang mit Angst bei Katzen kann herausfordernd sein. Es ist wichtig, dass Sie den Auslöser erkennen und individuelle Lösungen finden, um Ihrer Katze zu helfen. Diese Tipps können hilfreich sein:
Je früher Sie gezielt an Problemen arbeiten, desto schneller lassen sie sich lösen. Sobald Ihnen eine Verhaltensänderung bei Ihrer Katze auffällt, sollten Sie Ihren Tierarzt aufsuchen, um körperliche Ursachen auszuschließen. Im nächsten Schritt sollten Sie einen Tierarzt mit Spezialisierung auf Verhaltensmedizin um Rat fragen.
Die Berufsbezeichnungen „Katzenverhaltensberater“ oder „Tierpsychologe“ sind nicht geschützt und jeder kann sich so nennen, wodurch sich große Unterschiede in der Qualität ergeben. Mit der Konsultation eines spezialisierten Tierarztes sind Sie auf der sicheren Seite.
Schritt für Schritt. Gewöhnen Sie Ihre Katze erst an die Stimme und dann an die Nähe der neuen Person. Bei der Zusammenführung von Katzen können Sie unter anderem gut mit Gittertüren arbeiten. Auch hier können Sie sich schon bei der Auswahl des neuen Tieres professionell unterstützen lassen. Das erhöht die Chance, dass die Katzen gut zueinander passen und sich verstehen.
Indem Sie so bald wie möglich an dem Problem arbeiten. Bedrängen Sie eine angst-aggressive Katze nicht und geben Sie ihr immer die Möglichkeit, sich zurückzuziehen. In den meisten Fällen werden Katzen erst aggressiv, wenn sie keinen Ausweg haben. Bei Konflikten zwischen Artgenossen im Haushalt sollte gründlich nach der Ursache des Problems gesucht werden, sodass mit dessen Lösung wieder Entspannung einkehrt.
Durch frühzeitiges Medical Training und die Wahl einer Tierarztpraxis, die katzenfreundlich arbeitet. Beim Medical Training trainieren Sie gezielt typische Situationen beim Tierarzt (z. B. Abhören) bereits zu Hause. So kann sich Ihre Katze in einem gewohnten Umfeld daran gewöhnen.
Gegebenenfalls können Sie Ihrer Katze in Absprache mit Ihrem Tierarzt bereits zu Hause ein angstlösendes Medikament verabreichen.
Versuchen Sie Reisen oder Urlaube mit ängstlichen Katzen zu vermeiden. Sie sollten Ihre Katze immer mit Transportkorb-Training und Autofahrtraining auf Reisen vorbereiten. Schließlich lassen sich z. B. Tierarztbesuche, die mit der Transportbox und Autofahrten einhergehen, nicht vermeiden.
Während des Umzugs können Sie in der neuen Wohnung einen Raum mit gewohnten Gegenständen ausstatten. Stellen Sie dabei sicher, dass die Katze nicht versehentlich entwischen kann. Hier kann Ihre Katze zunächst in Ruhe ankommen und sich an die Situation gewöhnen.
Besonders bei Menschen gilt es herauszufinden: Hat die Katze Angst vor der Person an sich oder vor bestimmten Verhaltensweisen? Handelt es sich um den Menschen selbst, funktioniert die Annäherung nach dem Prinzip „Liebe geht durch den Magen“ oft gut – also mit Leckerli.
Vor allem bei Geräuschen können Sie meist gut mittels Desensibilisierung und Gegenkonditionierung arbeiten. Sie können Ihre Katze langsam an Geräusche und Lautstärke gewöhnen und den Angstreiz schließlich an positive Reize wie Leckerlis koppeln. Aber auch hier gilt: Mit professioneller Hilfe kommt man in vielen Fällen schneller und besser zum Ziel.
Fazit
Keine Katze sollte in Angst leben müssen. Nehmen Sie die Veränderung Ihrer Katze wahr und finden Sie Lösungen, um ihr den Alltag zu erleichtern. Für sehr scheue, nicht zähmbare Katzen kann ein Leben in menschlicher Gesellschaft belastend sein. Denken Sie auch in diesem Fall an das Wohl Ihrer Katze und entlassen Sie sie gegebenenfalls in sicherer Umgebung die Freiheit mit Zugang zu einer betreuten Futterstelle.